In einer vernetzten Wertschöpfung sind wir in der Geschäftsmodellentwicklung nicht mehr so frei, wir es aus dem Industriezeitalter kennen.
Wir haben bereits bei Digitalen Eco-Systemen von der Einschränkung der Management-Autonomie gesprochen. Das gilt auch für die Autonomie in der Geschäftsmodellentwicklung. Diejengen Bereiche, die von dem machtstärksten Unternehmen vorgegeben werden, können wir oft nicht beeinflussen. Wir müssen aber die Hintergründe verstehen, warum dieses Unternehmen bestimmte Entscheidungen getroffen hat. Dieses Verstehen ist erforderlich, um künftige Entwicklungen dieser Entscheidungen prognostizieren zu können.
Zu den Bereichen, die möglicherweise von dem machtstärksten Unternehmen vorgegeben werden, gehört oft auch das Kundenbild. Natürlich ist es auch denkbar, dass das eigene Kundenbild von dem des machtstärksten abweicht, aber es wird dann vermutlich eine Teilmenge des Kundbildes des machtsärkstem Unternehmens sein. Da Digitale Eco-Systeme auch nationale Grenzen und Kulturräume überschreiten können, ist es auch denkbar, dass das gesetzte Kundenbild von den eigenen kulturellen Werten abweicht, was es dann etwas schwieriger macht, dieses Kundenbild wirklich umfassend zu verstehen und dessen Erwartungen prognostizieren zu können.
Diejenigen Bereiche, die möglicherweise von dem machtstärksten Unternehmen vorgegeben werden, und somit in erster Linie "nur" verstanden werden müssen, sind in der Darstellung blau unterlegt. Die rot dargestellten Bereiche entsprechen dem Verständnis des Industriezeitalters zur Geschäftsmodellentwicklung.
Die Geschäftsmodellentwicklung ist vorerst unabhängig von einer Implementierung.
Vor einer Digitalisierung eines bestehenden Geschäftsmodells schrecken wir zurück. Das Risiko, ein laufendes Geschäftsmodell zu digitalisieren ist oft nicht mit unserer Führungsverantwortung vereinbar. Wenn wir aber irgendwann realisieren müssen, dass sich das Umfeld verändert hat und wir unsere Kunden immer schwerer erreichen, könnten dann Anpassungen am Geschäftsmodell unter Zeitdruck stehen.
Ziel des folgenden Bausteins im Digital Business Development ist die Vorbereitung von Geschäftsmodelloptionen, um sein Unternehmen verantwortungsbewusst durch eine vernetzte und dynamische Veränderung führen zu können.
Ausgangspunkt ist die Hinterfragung, was den Menschen antreibt (Punkte 2 und 3). Diese Frage ist bewusst allgemein gehalten, da wir uns hier von unserem vorgefertigten Kundenbild lösen müssen. Fragt sich ein Arzt-A, was für seinen Patienten wichtig ist, kämen ihm vielleicht kürzere Wartezeiten auf einen Behandlungstermin und eine Online-Terminreservation in den Sinn. Würde aber ein Mitbewerber der Meinung sein, für den Patienten wäre es wichtig, gar nicht erst krank zu werden, und würde er mit einem Versprechen für mehr Gesundheit oder einen höheren Lebensgefühl eine dauerhafte Bindung zu seinen Usern aufbauen, könnte dieser Mitbewerber seinen Usern auch Gesundheitsempfehlungen aussprechen, bevor dieser zu einem möglichen Kunden für den eingangs erwähnten Arzt-A werden könnte.
In den Punkten 4, 5 und 6 analysieren wir das eigene Unternehmen auf vorhandene Wertschöpfungsbausteine.
Das können Abteilungen oder abgrenzbare Verantwortungsbereiche sein. Spielt die Vernetzung für unser Unternehmen oder unsere neue Geschäftsmodelloption eine Rolle, bewerten wir, ob wir einen Wertschöpfungsbeitrag, den wir weiterhin selbst beisteuern möchten (hier rot dargestellt) auch vor einer Konkurrenzierung schützen können und ob wir einen Wertschöpfungsbeitrag, der von einem Partner beigesteuert werden könnte (hier blau dargestellt), auch managen können.
Diejenigen Bausteine, die wir benötigen, um das zuvor diskutierte Bedürfnis zu adressieren, werden zum Bestandteil dieser Geschäftsmodelloption.
Vorhandene Wertschöpfungsbausteine, die nicht für diese Geschäftsmodelloption benötigt werden, werden wir unter Punkt 9 nochmal aufgreifen. Im Asset-Mapping werden wir erkennen, wie viele solcher grossen Kreisläufe wir benötigen, um keinen Bereich unseres Unternehmens zu vergessen.
Benötigte Wertschöpfungsbausteine, die das Unternehmen derzeit noch nicht hat, können zu einem Partner-Beitrag werden oder müssen von einem selbst mit angemessenem Vorlauf aufgebaut werden. Wollen wir benötigte Wertschöpfungsbausteine selbst aufbauen, wird hierfür vermutlich ein Projekt initiiert. Für diese Projekte sollten die Führungsgrössen klar aus der angestrebten Geschäftsmodelloption abgeleitet werden, damit diese nicht in ein Eigenleben abdriften.
Punkt 12 ist vorerst als ein STOP zu verstehen. Entwickelte zusätzliche Geschäftsmodelle bilden mögliche Handlungsoptionen für den Fall, dass zunehmender Handlungsdruck oder ein erkennbares Potential eine Handlung nahe legen. Welche Handlung dann die richtige ist, wird von dem Portfolio an möglichen Geschäftsmodelloptionen und von den Ergebnissen der Projekte zu benötigten Wertschöpfungsbausteine abhängen.
Spätestens ab einer ersten Umsetzung werden die Überlegungen auch für Mitbewerber sichtbar. Sollte eine einflussstarke Position angestrebt werden (Power) und hierfür Vorbereitungen getroffen worden sein, sollten diese bereits belastbar sein.
Eigene Mitarbeiter können zu Konkurrenten werden.
Oft erfolgt der Wandel im Mindset der Mitarbeiter in kleinen Schritten. Vielleicht arbeiten Mitarbeiter bereits seit Längerem mit eigenen Devices (BYOD : Bring Your Own Device). Danach wurden sie in der Corona-Pandemie zu Home-Office erzogen. Parallel dazu nehmen wir alle eine Tendenz zum Zweit- oder Drittjob wahr. Zusätzlich gewinnen kreative und innovative Elemente unserer Arbeit ständig an Bedeutung, während Routine-Elemente unserer Arbeit vermehrt automatisiert werden. Es ist daher nur eine Frage der Zeit, bis sich die Mitarbeiter auch Gedanken zur Adressierung von Kundenbedürfnissen machen.
Eigene Mitarbeiter können zu Partner werden.
Nicht selten sind die Ideen der Mitarbeiter deutlich innovativer, als die Ergebnisse von angeleiteten Findungsprozessen der Managementebene. Die Mitarbeiter sind meist näher am Kunden - können sich aber auch von bestehenden Kundenbildern lösen, ohne sich hierfür rechtfertigen zu müssen. Sie decken meist ein breiteres Altersspektrum ab, sind gedanklich freier und können an mehreren Stellen gleichzeitig entstehen. Warum sollte ein Unternehmen auf dieses Potential verzichten ? Warum sollte ein Unternehmen dieses Potential unterdrücken ? Vielmehr kann es sinnvoll sein, Mitarbeiter in Ihrer Kreativität zu begleiten. Oft kann bereits eine Wertschätzung und die Zurverfügungstellung von Besprechungsräumen genügen. Je nach Arbeitszeiterfassungs-System entstehen für diese Ideen nichtmal Arbeitskosten. Erst wenn eine Idee die Aufmerksamkeit auf sich zieht und ein Team um weitere Personen ergänzt wird. könnte sich die Frage nach Arbeitskosten ergeben, war wir in dem Bereich Business Development Portfolio noch aufgreifen.
Worauf ein Unternehmen aber im Vorfeld achten sollte, ist die Schaffung von Abhängigkeiten, die in der Abbildung durch den Anker und die rote gestrichelte Linie hervorgehoben wird. Die Intention soll sein, dass die Mitarbeiter ihre Innovation in Zusammenarbeit mit dem Mutterunternehmen umsetzen. Damit werden die Mitarbeiter zu Partnern in einer vernetzten Wertschöpfung. Auch ein anteiliges Engagement für die zusätzliche, unternehmerische Innovation in Verbindung mit einer reduktion auf eine Teilzeit-Anstellung bei dem Mutterunternehmen muss nicht zwingend ein Tabu-Thema sein. Ebenso die Einbindung von Personen, die ihren Ursprung nicht in dem Mutterunternehmen haben, kann möglich sein, wenn zuvor die Abhängigkeit der Innovation von dem Mutterunternehmen sichergestellt wurde. Die Formen des Aufbaus einer Abhängigkeit können ähnlich zu denen sein, die ein machtstärkstes Unternehmen für deren Positionierung in einem Digitalen Eco-System verwendet.
Es kann zu einer Win-Win-Situation führen, wenn Mitarbeiter in innovativen, unternehmerischen Aktivitäten unterstützt werden.
Erinnern wir uns noch, wie Organisationen entstehen ? Sehr grob vereinfacht gesagt, hatten wir analysiert, welche Aufgaben in einer industriellen Produktion nötig sind, um eine Wertschöpfung zu realisieren, hatten anschliessend diese Aufgaben in eine Stellenbeschreibung umgeschrieben, die erforderlichen Managementaufgaben in eine übergeordnete Instanz (= Stelle mit Leitungsfunktion) gepackt und dann die Stellen mt so viel Mitarbeitern aufgefüllt, wie wir zur Bedienung eines prognostizierten Marktabsatzes benötigten.
Ob dieses Vorgehen aber in einer vernetzten Wertschöpfung noch sinnvoll ist, ist fraglich.
Das Einzelunternehmen hat vermutlich nur eingeschränkte Möglichkeiten, die Gesamtwertschöpfung zu gestalten (zu orchestrieren) und ist viellecht selbst nur eines von merhreren potentiellen Anbietern eines Wertschöpfungsbeitrags.
Das Einzelunternehmen hat vermutlich nur eingeschränkte Möglichkeiten, das Absatzvolumen zu managen.
Mit der Einstellung von Mitarbeitern fixiert das Einzelunternehmen Kosten auf Basis von Annahmen, die von den Entscheidungen anderer Unternehmen abhängen. Unabhängig von dem Risiko, dass ein anderes Unternehmen unerwartete Entscheidungen trifft, begibt sich das Einzelunternehmen damit in eine Abhängigkeit, die sich auf die Verhandlungsposition (z.B. bei Preisverhandlungen) durchschlagen kann.
Die hohe Dynamik des Digitalen Zeitalters kann zu einer steigenden Bedeutung von der Suche nach zusätzlichen Innovationen führen. Wird dieses Suche nach zusätzlichen Innovationen nach dem gewohnten Vorgehen des Industriezeitalters in Stellenbeschreibungen überführt und mit Mitarbeitern besetzt, entstehen wiederum weigere Fixkosten, denen nur ein sehr unsicherer Erfolg gegenübersteht.
Die klassische Denkweise des Industriezeitalters, wonach Business Development der Unternehmensspitze bzw. dedizierten Bereichen zugewiesen wird, und anschliessend wie oben beschrieben, die benötigten Mitarbeiter hierfür gesucht werden, führt aber im Digitalen Zeitalter nicht nur zu dem erwähnten Risiko - es bremst auch die Innovationskraft des Unternehmens aus. Unstrittig ist die Innovationskraft höher, wenn zusätzlich auch Ideen von Mitarbeitern aufgegriffen werden. Dabei ist ein klassisches, betriebliches Vorschlags- under Verbesserungswesen oft nicht mehr ausreichend, denn mit einer vernetzten Wertschöpfung ist das "Alles-unter-einem-Dach"-Gefühl ohnehin schon durchbrochen. Der Gedanke, eine innovative Idee unternehmerisch selbst verwerten zu wollen, wird auch bei den Mitarbeitern zunehmend präsenter. Unternehmen könnten sich dagegen stemmen und Gefahr laufen, dass der Mitarbeiter zu einem Konkurrent wird, oder ihn unterstützen und im Erfolgsfall von der Innovation mitprofitieren. Ob bzw. inwieweit das Unternehmen den Mitarbeiter für die Ausarbeitung seiner Idee bezahlt, wird sicherlich situativ entschieden - wichtig ist jedoch, dass der Mitarbeiter sich in seiner Idee wertgeschätzt fühlt und dass vorgängig geeignete Strukturen geschaffen werden, damit zu erwarten ist, dass das Unternehmen (dann "Mutterunternehmen") an dem Erfolg teilhaben wird. Beispiele zum Aufbau solcher Abhängigkeiten wurde bereits in dem Kapitel "Power" angesprochen.